Liebe Janaína, warum bist Du Hebamme geworden?
Das Feld der Medizin und Biologie faszinieren mich schon seit langem. Nach meinem Abitur habe ich ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Klinik absolviert, dort konnte ich erste Eindrücke in der Pflege sammeln. Die Frage, ob ich Medizin studieren oder lieber „praktisch“ lernen sollte, hat mich daraufhin lange beschäftigt. Über ein Praktikum in einem Berliner Krankenhaus konnte ich dann den Hebammenberuf näher kennenlernen und mich für diese Arbeit begeistern. Daher hab ich mich dafür entschieden, ein duales Studium aufzunehmen. Ich habe als einer der letzten eine klassische Hebammenausbildung absolviert und zeitlgleich meinen Bachelor gemacht, den ich ein Jahr später abschließen konnte. Es war eine anstrengende Zeit durch die Doppelbelastung, aber ich konnte sehr viel davon mitnehmen. Ich habe sowohl bei meiner praktischen Arbeit im Krankenhaus als auch in den Externaten bei drei freiberuflichen Hebammen die Vielfalt des Berufes noch mehr schätzen gelernt. Das theoretische Wissen von Ausbildung und Studium hat mir einen neuen Blick auf die Geburtshilfe gegeben und mein Wissen sehr bereichert. Es war genau der richtige Weg für mich.
Wie bist Du ins Geburtshaus gekommen?
Nach den praktischen Erfahrungen im außerklinischen Bereich fiel es mir immer besonders schwer ins Krankenhaus zurückzukehren. Hier konnte ich dem Anspruch an meine Arbeit und den Frauen nicht gerecht werden. Oft habe ich mehrere Frauen gleichzeitig betreuen müssen, und häufig konnte ich die Frauen vorher nicht kennenlernen. Mit diesen Erfahrungen und meinem Bewusstsein, wie die Betreuung in der außerklinischen Geburtshilfe aussieht war klar, wie ich arbeiten möchte. Ursprünglich wollte ich immer zurück nach Berlin, aber ich hatte angefangen, Hamburg lieben zu lernen und so habe ich mich für das Geburtshaus entschieden. Nach kurzer Hospitation folgte eine längere Zeit der Einarbeitung. Ich bin jetzt seit Oktober 2022 dabei und mache Geburtshilfe, Vorsorge und Wochenbettbetreuung in Eimsbüttel und Altona.
Was gefällt die besonders?
Ich bin sehr glücklich in meinem Beruf. Jede Geburt ist ein unvergleichliches und unvergessliches Erlebnis mit vielen schönen Momenten. Wenn die Eltern so glücklich und berührt sind, bin ich sehr dankbar diese Momente mit ihnen teilen zu dürfen.
Was machst du nach einer Geburt?
„Nach der Geburt“ ist oft abends oder nachts. Die Paare mit Baby gehen meist so drei bis vier Stunden nach der Geburt nach Hause. Wir Hebammen bleiben ein bisschen länger, räumen auf und reinigen die Räume. Ich fahr dann mit meinem Rad nach Hause und genieße die frische Luft.
Was fällt dir leicht, was fordert heraus?
Ich würde sagen, ich kann mich gut in die Frauen, in ihre Gefühle und Stimmungen hinein versetzen. Das hilft mir für meine Arbeit sehr. Manchmal ist es herausfordernd für mich, mich abzugrenzen. Meine Arbeit sehe ich als Berufung, daher ist es oft schwer, Abstand zu finden. Was mir hilft ist Sport, Treffen mit Freund:innen und Zeichnen. Ganz besonders für mich ist aber die Arbeit hier im Team. Von meinen Kolleginnen bekomme ich starken Rückhalt. Der Umgang ist wertschätzend und immer auf Augenhöhe, egal wie lange man dabei ist. In unseren wöchentlichen Teamsitzungen tauschen wir uns aus und wer Entlastung braucht, bekommt sie auch.
Was machst du Weihnachten?
Ich habe tatsächlich Dienst an Heiligabend. Darauf freue ich mich. Es wird bestimmt ungewohnt ohne Freunde und Familie zu sein, aber ich stelle mir vor, dass es im Geburtshaus besonders ruhig und gemütlich wird. Und dann lass ich mich überraschen von dem, was da kommt.
… und was wünschst du dir?
Im Gespräch mit Freud:innen und Familie habe ich häufig das Gefühl, dass viele die Aufgaben der Hebammen nicht kennen und nicht wissen, wie vielseitig unser Beruf ist. Ein falsches Bild wird unter anderem durch Filme schon früh suggeriert. Es müsste viel mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden und diese sollte am Besten schon in der Schulzeit beginnen, ganz im Sinne eines Empowerments der Frauen. In Deutschland geht es immer sehr um Krankheitsbehebung und wenig um Krankheitsprävention bzw. Gesundheitsförderung durch die Salutogenese. Ich sehe da ein großes Defizit des deutschen Gesundheitssystems und denke gerade Schwangere könnten von diesem Ansatz profitieren. Ich wünsche mir, dass wir uns mehr in die Richtung Gesundheitsförderung bewegen. Ich finde, dass das Geburtshaus das schon gut umsetzt, durch unsere empowernde Arbeitsweise und die Körperarbeit mit Techniken zur Entspannungsförderung und Stressreduktion.
Kannst du dich entscheiden für Elbe oder Alster?
Als Berlinerin sage ich Spree, aber die Elbe mit dem Elbstrand kann durch meine Liebe zum Meer ein bisschen mithalten.
Liebe Janaína, vielen Dank für das Gespräch und einen besonders schönen Heiligabend!
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